WIR MACHEN MEHR AUS IHRER ZEIT!
Mehr Geld und mehr Mitsprache machen Zeitarbeit für Pflegekräfte lukrativer. Die Initiative des Bundesrats möchte Leiharbeit trotzdem verbieten wegen zu hohen Kosten.
"Ich bin Leiharbeiterin aus Überzeugung", meint Nadine Müller. Die Krankenschwester hat sich bewusst für die Zeitarbeit entschieden. Damit verdient sie nicht nur besser, sie hat auch mehr Mitsprache bei ihrem Dienstplan. "Ich muss mir keine Sorgen machen, in einen Frühdienst gedrängt zu werden, obwohl ich lieber im Spätdienst arbeite. Und ich kann an freien Tagen auch nicht zur Arbeit gerufen werden, um einzuspringen", sagt die 35-Jährige aus Kassel. Die Zeitarbeit mache die Bedingungen in der Pflege erträglicher. Die Mitarbeiter sind ebenfalls unbefristet beschäftigt und die Zeitarbeitsfirma ist der Arbeitgeber mit allen sozialen Absicherungen sowie übertariflichen Leistungen. Wie Frau Müller entscheiden sich immer mehr Pflegekräfte für die Arbeitnehmerüberlassung. In Foren auf Facebook wird sich zu diesem Thema ausgetauscht. Auf einigen Webseiten rekrutieren auch Zeitarbeitsfirmen neues Personal denn viele Zeitarbeitsfirmen haben sich mittlerweile auf die Pflege fokussiert. Das Problem ist bekannt: Seniorenheime müssen alle Dienste besetzen. Weil aber Ressourcen fehlen, muss auf Zeitarbeit zurückgegriffen werden. Aber natürlich sind Pflegekräfte auch in der Zeitarbeit knapp. Daher überbieten sich viele Firmen mit vielversprechenden Konditionen. Von übertariflicher Vergütung, Weihnachts- und Urlaubsgeld, Mitsprache bei Dienstplangestaltung und steuerfreien Zulagen ist in den Stellenangeboten die Rede. Einige locken sogar mit Willkommensprämien in Höhe von einigen tausend Euro. Dies treibt die Preise entsprechend hoch.
Ein negativer Ruf gilt für den Bereich Pflege nicht. Hier stellen die Angestellten die Bedingungen.
Doch jetzt möchte Gesundheitssenatorin Frau Kalayci mit einer Initiative im Jahr 2020 Zeitarbeit in der Pflege verbieten. Eine evtl. Abwanderung von Fachkräften soll verhindert werden, die Qualität der Pflege verbessert und die Versorgung aller Patienten soll sichergestellt werden. Denn selbstverständlich ist eine Zunahme von Zeitarbeit auch mit vielen Problemen verbunden. Die Zunahme der Zeitarbeit setzt das bestehende Personal unter Druck, gefährdet den harmonischen Frieden und plündert die Pflegebranche aus. Der Geschäftsführer des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste ist auch für die Abschaffung. Der Verband befürwortet den Vorstoß der Frau Kalayci und ist der gleichen Meinung. Das fest angestellte Personal in den Heimen leidet, weil sich Zeitarbeitnehmer die Dienstzeiten aussuchen und die unangenehmen Dienste am Wochenende ablehnen und die dann beim Stammpersonal hängen bleiben. Das sorgt für Frust und zusätzliche Krankmeldungen. Zusätzlich kommt Neid vom bestehenden Personal auf weil die Zeitarbeitnehmer auch noch besser verdienen. In der Zeitarbeit wird fast das doppelte bezahlt wie für fest angestelltes Personal. Schon jetzt bezahlen die Seniorenheime die Mehrkosten aus ihren Rücklagen. Wenn es so weitergeht, werden einige kleine Einrichtungen schließen müssen.
Man darf nicht vergessen, dass die Löhne in der Pflege stark gestiegen sind, obwohl nicht mehr Geld im System vorhanden ist. Der Verband hat herausgefunden, dass die Steigungen zwischen 2015 und 2018 gut 12,5 % betrugen! Trotzdem sind die Gehälter nicht sehr hoch. Im Schnitt verdienten fest angestellte Pflegekräfte letztes Jahr 3.300 Euro Brutto, drei Jahre zuvor waren es etwa 3.000 Euro, teilt der Verband mit.
Was bei Zeitarbeitnehmern monatlich auf der Abrechnung steht, ist nicht so leicht zu ermitteln. Der Verdienst richtet sich nach den jeweiligen Konditionen des Arbeitgebers, Zulagen und Anzahl von Diensten. Für Feiertage und Sonntage gibt es hohe Zulagen. Zusätzlich erhalten Mitarbeiter in der Zeitarbeit bei Bedarf einen Dienstwagen und bestimmen insgesamt mit.
Altenpfleger, Gesundheits- und Krankenpfleger und Krankenschwestern sind bei Zeitarbeitsfirmen herzlich Willkommen. Auch Fachkrankenschwestern oder Ärzte gehen punktuell in die Zeitarbeit.
Die Hans-Böckler-Stiftung errechnete jüngst, dass der durchschnittliche Stundenverdienst in der Pflege bei 14,50 Euro liegt. Viele Zeitarbeitsfirmen hingegen zahlen 20 Euro die Stunde oder mehr. Es gibt sogar Zeitarbeitsfirmen die 25 Euro oder mehr zahlen. Immer angelehnt an das IGZ Tarifwerk und von den Leistungen her darüber hinaus. Als Basis gilt selbstverständlich das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG).
Grundsätzlich können sich die Preise in der Pflege nicht frei bilden. Seniorenheime finanzieren sich zu einem Teil aus den Leistungen der Pflegeversicherung. Je nach Pflegegrad sind sie aber anhand eines Bewohners gedeckelt. Den Rest müssen die Pflegebedürftigen selbst bezahlen. Durchschnittlich fallen heute 1.950 Euro monatlich an – Tendenz steigend. Immer mehr Pflegebedürftige sind leider auch mittlerweile auf Sozialhilfe angewiesen. Die Personalkosten in der Pflege zahlen also langfristig alle!
Zusätzlich werden die Gehälter in der Pflege auch künftig weiter steigen. Derzeit verhandeln Gewerkschaften mit einigen Arbeitgebern einen Tarifvertrag. Er soll überall gelten. Es ist ein klares Statement, wenn Pflegepersonal lieber bei einer Zeitarbeit ist, als bei einer Senioreneinrichtung fest arbeitet. Grundsätzlich ist auch Fakt, dass Zeitarbeitsfirmen natürlich Gewinn machen wollen. Der entsteht aus Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern. Diese Gelder sollten eher für eine qualitative Pflege eingesetzt werden und nicht um als Firma Gewinn zu machen ist die Meinung einiger Politiker.
Ein Geschäftsführer einer Zeitarbeitsfirma weist diese Kritik zurück. Zeitarbeit sei keine Bedrohung für die Pflege teilte er mit. Er meinte, dass es eine hohe Abwanderung in die Zeitarbeit gar nicht gibt. Laut Zahlen der Bundesagentur für Arbeit sind nur knapp zwei Prozent aller Pflegekräfte bei der Zeitarbeit beschäftigt. Im Jahr 2014 waren 8.000 Pflegekräfte in der Zeitarbeit bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet. Etwa vier Jahre später waren es über 12.000! Bei etwa 600.000 Beschäftigten in der Branche insgesamt sind wir dann nur bei einem Anteil von 2% und das ist nicht viel und stellt somit keine große Gefahr dar.
Der Geschäftsführer teilte außerdem mit, dass es auch für die zeitarbeitsfirmen sehr schwierig sei vernünftig geeignetes Personal zu finden weil es einfach insgesamt zu wenig Pflegekräfte gäbe. Zusätzlich haben die Zeitarbeitsfirmen somit auch ihre Probleme und kommen nicht alle dazu einen ordentlichen wirtschaftlichen Gewinn zu erzielen.